53. ITH-Konferenz: Welten der Arbeit auf den Kopf gestellt – Revolutionen und Arbeitsbeziehungen in globalhistorischer Perspektive

21.-23. September 2017, Linz

Überblick

Veranstaltet von:
Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen (ITH) mit freundlicher Unterstützung der Kammer für Arbeiter und Angestellte Oberösterreich, dem Institut für Gewerkschafts- und AK-Geschichte der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Stadt Linz

Vorbereitungsgruppe:
Tamás Krausz (Eötvös-Loránd-Universität, Budapest), Ragnheiður Kristjánsdóttir (Universität Island, Reykjavík), Marcel van der Linden (Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam), David Mayer (ITH, Wien), Stefan Müller (Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn), Goran Music (Zentrum für Südosteuropastudien, Karl-Franzens-Universität Graz), Lukas Neissl (ITH, Wien), Felix Wemheuer (Universität zu Köln)

Zielsetzungen:
Nach langer Quarantäne hat die „Revolution“ wieder Einzug in historiographische Debatten erhalten. Das bevorstehende Jubiläum von 1917 – wohl eines der, wenn nicht das wirkmächtigste Ereignis des 20. Jahrhunderts – hat dieses erneute Interesse weiter verstärkt. Die Gründe für diesen Trend können einerseits in breiteren gesellschaftlichen Krisenerfahrungen der Gegenwart gesucht werden. Zu nennen wären hier ökonomische Krisen, die jüngsten Umbrüche in der arabischen Welt oder auch die auf Transformation oder sogar Revolution abzielenden Bewegungen und Regierungen in Lateinamerika. Andererseits haben innere Verschiebungen auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaften Revolutionen wieder zu einem reizvollen Untersuchungsgegenstand gemacht: Unter dem Einfluss der dynamischen Debatten rund um „Globalgeschichte“ und „transnationale Perspektiven“ erscheinen Revolutionen für jene, die sich sowohl für die Zirkulation von Ideen, Personen, Waren, Praktiken usw. als auch für die Beziehung zwischen Orten interessieren, als augenscheinlicher Untersuchungsgegenstand.

Ausgehend von dieser erneuten Aufmerksamkeit gegenüber Revolutionen beabsichtigt die ITH-Konferenz 2017 den Fokus spezifischer auszurichten und die Wechselverhältnisse zwischen Revolutionen und Arbeitsbeziehungen zu beleuchten. Am offenkundigsten ist dieses Wechselverhältnis in all jenen Bewegungen und politischen Projekten, die, insbesondere nach 1917, explizit in der Veränderung der Besitz- und Arbeitsverhältnisse die Haupttriebkraft von Revolutionen sahen. Revolutionäre Prozesse waren jedoch stets stark von den aus den Welten der Arbeit entstehenden Krisen und Auseinandersetzungen und den Aspirationen und der Handlungsmacht von Arbeitenden geprägt.

In der Auseinandersetzung mit Veränderungen in den „Welten der Arbeit“ beabsichtigt die Konferenz das erneute Interesse an Revolutionen mit den lebhaften Debatten auf dem Gebiet der Global Labour History zusammenzuführen. Die Global Labour History ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus der Beschäftigung mit Arbeitsbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Unterschiedlichkeiten und der damit einhergehenden Koexistenz unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse im modernen Kapitalismus hervorgegangen. Wie waren Revolutionen in dieser Unterschiedlichkeit von Arbeitsbeziehungen begründet und durch diese geprägt? Wie haben sich unterschiedliche Gruppen von Arbeitenden in revolutionären Prozessen verhalten und diese beeinflusst? Und wie haben diese revolutionären Transformationen sowohl Verschiebungen in der Zusammensetzung des Faktors Arbeit als auch die Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen bestimmt?

Ausgehend von diesen grundlegenden Fragen über das Wechselverhältnis zwischen Revolutionen und Arbeit wird eine Reihe an Themengebieten, Fragestellungen und Untersuchungsansätzen im Rahmen dieser Konferenz diskutiert. Dies umfasst Vorher-Nachher-Analysen (die systematische Untersuchung von Arbeitsbeziehungen vor, während und nach Revolutionen); die auffällige Wechselbeziehung zwischen Arbeit, Revolution und Krieg (versinnbildlicht in den Erfahrungen des 1. Weltkrieges und später); verschiedene Formen der Mikroanalyse, die spezifische Blicke auf die „großen“ Revolutionsprozesse ermöglichen, indem eher kleine Einheiten der Produktion (Fabriken, Werkstätten, Plantagen, Haushalte) oder der Gemeinschaft (Dörfer, Stadtteile) in den Mittelpunkt von Untersuchungen gestellt werden, einschließlich der Formen der Selbstorganisation von ArbeiterInnen, BäuerInnen und anderen Gruppen in Räten, Sowjets oder Komitees; Tele-Connections zwischen AkteurInnen an verschiedenen Orten und „Revolution als Arbeit“, sprich die Arbeit jener, die für und von revolutionärer Tätigkeit leben.

Diese Konferenz ist darum bemüht (sowohl synchronen als auch diachronen) vergleichenden Ansätzen und Verbindungen zwischen einzelnen Orten und AkteurInnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Alle Weltregionen sind vertreten und zahlreiche Beiträge gehen über das wohlbekannte Spektrum „klassischer“ Revolutionen hinaus. Die OrganisatorInnen regen auch zu einer langen globalhistorischen Perspektive an und die Konferenz steht Beiträgen aus unterschiedlichen Epochen offen. Dies umfasst auch weiter zurückliegende Prozesse und Ereignisse in der Frühen Neuzeit oder die Transformationen um 1989 und danach. Die Konferenz wird sich auch explizit des Begriffes der längeren transnationalen „Revolutionszyklen“ bedienen, der davon ausgeht, dass miteinander in Verbindung stehende Revolutionscluster bestehen, die zur selben Zeit verschiedene Regionen beeinflussen.

Diese Konferenz erkennt die umkämpfte Natur aller Revolutionen (sowohl unter den AkteurInnen der Zeit als auch späteren HistorikerInnen) ausdrücklich an. Die Konferenz fußt auf einem breit gefassten Revolutionsbegriff und schließt ausdrücklich auch gescheiterte Revolutionen ein, sowie Revolutionsversuche, revolutionäre Situationen und Revolutionen, die von oben oder durch Krieg durchgesetzt wurden. Dennoch wird beabsichtigt, dass sich die Debatte um verdichtete (und relativ kurze) Prozesse von Krise, Konflikt und Veränderung dreht. Zentraler Gegenstand der Konferenz bleiben somit Fälle, in denen sowohl ein Element von (politischem) Übergang als auch ein Element (gesellschaftlicher) Transformation besteht.

Veranstaltungsort:
AK-Bildungshaus Jägermayrhof, Römerstraße 98, 4020 Linz, Österreich

Linz ist eine Industriestadt ca. 180 km westlich von Wien und eines der historischen Zentren der österreichischen ArbeiterInnenbewegung. Der Österreichische Bürgerkrieg im Februar 1934 zwischen den austrofaschistischen Milizen (“Heimwehren”) und dem Bundesheer auf der einen und der paramilitärischen Organisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, dem Republikanischen Schutzbund, auf der anderen Seite begann in Linz. Die Umgebung des Jägermayrhofs war eines der Zentren der Kämpfe.

Kontakt:
Lukas Neissl
International Conference of Labour and Social History (ITH)
c/o Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Altes Rathaus, Wipplinger Str. 6-8/Stg. 3, A-1010 Wien, Österreich
e-Mail: ith[a]doew.at


Tagungsbericht html

Tagungsbericht zur 53. ITH-Konferenz

Welten der Arbeit auf den Kopf gestellt Revolutionen und Arbeitsbeziehungen in globalhistorischer Perspektive

Linz, 21.-23. September 2017

von Pepijn Brandon (Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam & Vrije Universiteit Amsterdam)

Die 53. Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen (ITH) fand von 21.-23. September 2017 in Linz/Österreich unter dem Generalthema „Revolutionen und Arbeitsbeziehungen in globalhistorischer Perspektive“ statt. Die ITH ist eine bedeutende internationale Plattform der Kooperation zwischen akademischen und nichtakademischen Institutionen der Geschichte der Arbeit, der Arbeitenden und der ArbeiterInnenbewegungen und anderer sozialer Bewegungen, die 1964 als Plattform des Wissensaustausches zwischen beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gegründet wurde. Heute fungiert die ITH als ein wichtiger Treffpunkt für die Erforschung der Geschichte von Arbeit und Arbeitenden aus einer transnationalen und globalen Perspektive. Die historischen Wurzeln der ITH, die über einen streng akademischen Horizont hinausreichen, wurden auch durch den Tagungsort (das kürzlich renovierte Bildungshaus der Arbeiterkammer Oberösterreich), den TeilnehmerInnen der Konferenz aus einem breiten Spektrum an Institutionen der Labour History und dem Besuch einer Ausstellung über Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in einem heute noch in Betrieb stehenden Stahlwerk in Linz verdeutlicht.

Freilich spiegelt das diesjährige Konferenzthema die weitverbreitete Aufmerksamkeit gegenüber Revolutionen im 100. Jubiläumsjahr der Russischen Revolution, die immer noch als der Inbegriff politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen im 20. Jahrhundert gilt, wider. Auf der Grundlage eines breiten Revolutionsverständnisses, das für die Vorbereitungsgruppe der Konferenz „auch gescheiterte Revolutionen […], sowie Revolutionsversuche, revolutionäre Situationen und Revolutionen, die von oben oder durch Krieg durchgesetzt wurden“, miteinschloss, zielte die Konferenz auf ein breites Spektrum an Beiträgen zu revolutionären Krisen in globaler Perspektive ab. Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen politischen Revolutionen und Veränderungen in Arbeitsbeziehungen ist viel weniger eindeutig, als dies in diesem Kontext auf den ersten Blick scheinen mag. Während es freilich zahllose Untersuchungen gibt, die auf die Beteiligung von Arbeitenden an Revolutionen oder den Stellenwert von Arbeit in revolutionären Ideologien abzielen, werden das tatsächliche Verhältnis zwischen den Veränderungen, die Revolutionen auf der Ebene des Staates hervorbringen, und der Art und Weise in der Arbeit organisiert wird, viel weniger häufig untersucht.

Dies wirft schwierige Fragen auf. Wie erklärt man beispielsweise die offenkundige Diskrepanz zwischen Ergebnissen  und  Zielen  in  Fällen  wie  der  Russischen Revolution, in  der  die

„Emanzipation der Arbeit“ revolutionäre Banner schmückte, der neue Staat aber rasch dazu

überging, neue Formen (tayloristischer) Arbeitsdisziplin voranzutreiben? Wann endet, im Prozess staatlich geführter Transformationen von Arbeitsverhältnissen, die Revolution und wann wird die zentrale Dynamik zur postrevolutionären Konsolidierung oder gar zur Konterrevolution? Was ist die Rolle größerer, oder gar globaler Zyklen der Veränderung, wie jener, der vom Zeitalter der Atlantischen Revolutionen im 18. Jahrhundert eingeleitet wurde und zur Ausbreitung sowohl revolutionärer als auch moderater Varianten des Abolitionismus führte, oder der globalen Kritik von Fordismus und Taylorismus, der um das Jahr 1968

entstand? Und wie spiegeln sich diese größeren Zyklen in der Politik der ArbeiterInnenbewegung während Revolutionen wider? Die letzte Frage wurde am Eröffnungsabend von Immanuel Ness (City University of New York) im Rahmen seines Eröffnungsvortrages aufgeworfen. Ness, Herausgeber der achtbändigen International Encyclopedia of Revolution and Protest: 1500 to the Present, behandelte das Verhältnis zwischen Globalisierung, Industrialisierung und Aufstieg und Fall starker Organisationen der ArbeiterInnenbewegung im Zentrum der revolutionären Prozesse des 20. Jahrhunderts. Ness betonte die Bedeutung einer kritischen Analyse der unterschiedlichen Formen der Organisierung der ArbeiterInnenbewegungen aus einer globalen Perspektive. Angesichts des Rückgangs gewerkschaftlicher Organisierung und gewerkschaftlicher Macht – Aspekte, die wiederum die zunehmende Instabilität von Arbeitsbeziehungen widerspiegeln – sowie des Rückgangs der Macht des Staates argumentierte er, dass es die Tendenz hin zu einer und die Notwendigkeit für eine erneute politische Organisierung der ArbeiterInnenbewegungen in Form einer neuen „ArbeiterInnenpartei“ gibt. Nicht unerwartet, rief diese These eine lebhafte Debatte hervor.

In ihrer Absicht Perspektiven zu erweitern und breite, vergleichende Fragen aufzuwerfen, luden die OrganisatorInnen der Konferenz ein breites Spektrum an ReferentInnen ein, das die Zeitspanne von Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (mit einem Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert) und Fallstudien mit einem regionalen Fokus auf Asien, Nord- und Südamerika, sowie Europa umfasste. Leider neigten, aufgrund einer Reihe an kurzfristigen Absagen, die Vorträge zu einem stärkeren Fokus auf Europa, als dies ursprünglich beabsichtigt war. In zeitlicher Perspektive war die Konferenz vielleicht nicht so breit aufgestellt, wie dies das Konferenzthema hätten vermuten lassen. Nur die Beiträge von Pepijn Brandon (Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam) und Niklas Frykman (Universität Pittsburgh), sowie von Gabriel Di Meglio (Universität Buenos Aires) behandelten Themen, die der Entstehung „moderner“ ArbeiterInnenbewegungen vorangingen. Aber im Großen und Ganzen bereiteten die Vorträge den Boden für eine Diskussion jenseits nationaler Grenzen oder regionaler und zeitlicher Schwerpunkte.

Freilich konnte eine Konferenz mit Schwerpunkt auf den Veränderungen von Arbeitsbeziehungen durch Revolutionen nicht ohne eine Reihe an Beiträgen stattfinden, die die allgemeinere Rolle von Arbeitenden in Revolutionen behandelte. Ein charakteristisches Merkmal der Vorträge lag in der ausführlichen Behandlung der Auswirkungen staatlicher Rhetorik auf tatsächliche Arbeitsprozesse. Ein interessanter Aspekt, der ins Blickfeld geriet, waren die Schwierigkeiten, die post-revolutionäre Regime oft im Umgang mit Militanz aus der ArbeiterInnenklasse haben, insbesondere, wenn sich AktivistInnen Slogans aus dem Repertoire der revolutionären Staaten selbst zu eigen machen. Dimitriy Churakov (Staatliche Pädagogische Universität Moskau) legte dar, wie die Bolschewiki versuchten die dadurch entstandenen Probleme zu überwinden, als sie mit einem ArbeiterInnenaufstand in Ischewsk gegenüberstanden und behaupteten, dass die ProtagonistInnen einer bestimmten Kategorie an „Halb-Arbeitern, Halb-Bauern“ angehörten. Der frühe islamische Staat im Iran bediente sich einer recht unterschiedlichen Diskursstrategie. Wie Sepideh Nekomanesh (Universität Stockholm) aufzeigte, versuchte das Regime bewusst den politisierten Ausdruck

„ArbeiterInnen“ durch den Begriff der „unterdrückten Massen“ zu ersetzen, der leichter an ihre politisch-religiösen Ziele anpassbar war. Felix Wemheuer (Universität zu Köln) skizzierte einen anschaulichen Abriss der plötzlichen Wendungen, mit der die Kommunistische Partei Chinas versuchte die Welle der Kulturrevolution zu reiten und gleichzeitig beabsichtigte unabhängige Rebellenorganisationen zu befeuern und darauf beharrte, dass die Revolution

am besten durch eine Steigerung der Industrieproduktion vertieft werden würde. Renate Hürtgen (Berlin), die nicht persönlich an der Konferenz teilnehmen konnte, behandelte dasselbe Paradoxon aus der entgegengesetzten Perspektive und beleuchtete die Organisation und die Forderungen der ArbeiterInnenkomitees während der Wende, in der eine klassenspezifische Sprache als Merkmal des alten Regimes abgetan wurde. Leo Kühberger (Graz), Wolfgang Häusler (Universität Wien) und Matthew Galway (Universität von British Columbia, Vancouver/Universität von Kalifornien, Berkeley) untersuchten ebenfalls die oft widersprüchlichen Diskurse von Arbeit und Revolution anhand von Fallbeispielen einzelner Revolutionäre.

Die Beiträge von David Palmer (Universität Melbourne) und Adrian Grama (Central European University, Budapest/Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien, Universität Regensburg) warfen die wichtige Frage auf, wo, im Rahmen der breiten Definition von Revolutionen durch die Konferenzorganisatoren, denn eigentlich die Grenzen verlaufen würden. Palmer behandelte den staatlichen Einsatz von Zwangsarbeit im Japanischen Kaiserreich und die sozialen Protestbewegungen, die nach 1945 entstanden. Grama zog anregende Parallelen zwischen den Politiken der Produktivität in Osteuropa nach 1945 und dem westlichen Fordismus. In beiden Fällen hatten bedeutende, durch den 2. Weltkrieg entfachte politische Transformationen zweifellos wichtige Auswirkungen auf das Handeln der jeweiligen Regime auf dem Gebiet der Arbeit, aber ob bzw. in welchem Ausmaß Revolutionen als Prozesse von Massenaktivitäten von unten zum Tragen kamen, blieb ein wenig unklar. In den Beiträgen von Marine DhermyMairal (Institut d‘Études Politiques Grenoble) und Jesper rgensen (Arbeitermuseum Kopenhagen) spielte Revolution eine zentrale Rolle, wenngleich nur von außen betrachtet: durch den kritischen Blick von ILO-BeobachterInnen auf Arbeitsbeziehungen im bolschewistischen Russland oder durch die politischen Sympathien antifaschistischer dänischer Seeleute in den 1930er Jahren.

Ein interessantes, und vielleicht unerwartetes Thema, das sich aus der Konferenz ergab, war die Frage nach revolutionärer Aktivität selbst als Arbeit. Revolutionäre Prozesse beruhen auf manchmal jahrelangen Massenaktivitäten, die eine lange Kette an Arbeit umfassen: vom Einsatz von MilizionärInnen, einfachen FeldköchInnen, SchmugglerInnen und SpionInnen an der Front, zu Angestellten und Schreibkräften in den Parteizentralen oder den Büros sozialistischer Zeitungen. Wie Berichte von AugenzeugInnen vieler Revolutionen bestätigen, können Arbeitsbeziehungen in diesem Zusammenhang Beispiele horizontaler, solidarischer Beziehungen zwischen den AkteurInnen dieser Kämpfe sein, aber auch zu Versuchsgeländen für neue Hierarchien und entfremdender Formen militarisierter Arbeit werden. Tiina Lintunen (Universität Turku) präsentierte in ihrem Beitrag über soziale Netzwerke von Frauen, die die Beteiligung von Frauen in den finnischen Roten Garden im Jahr 1918 gewährleisteten, ein eingehend beleuchtetes Beispiel für Ersteres. Die relativ abgesonderte Arbeitsumgebung des ständigen Personals der Komintern, die das zentrale Thema des Beitrages von Bernhard Bayerlein (Institut für soziale Bewegungen, Ruhr-Universität Bochum) ausmachte, tendierte viel mehr zur zweiten Möglichkeit. In einer Fallstudie, die zeitlich weiter vom tatsächlichen Moment des revolutionären Umbruchs selbst angelegt lag, verglich Katja Praznik (State University of New York at Buffalo) die Arbeitsbedingungen selbstständiger Avantgarde- KünstlerInnen und staatlich angestellten KünstlerInnen in Jugoslawien, wobei insbesondere die  erste  Gruppe  unter  Bedingungen  arbeitete,  die  sich  scheinbar  nicht  groß  von

„unabhängigen“ KünstlerInnen in Gesellschaften, die keinen revolutionären Ursprung für sich

beanspruchten, unterschieden.

Die Absicht der Vorbereitungsgruppe der Konferenz im Call for Papers bestand darin, den Fokus in der Untersuchung von Revolutionen abseits der Zirkulation von Ideen, Personen, Waren und Praktiken spezifischer auszurichten und „und die Wechselverhältnisse zwischen Revolutionen und Arbeitsbeziehungen zu beleuchten“. Wie man erwarten konnte, bringt diese Wechselwirkung auch ein hohes Maß an globaler Zirkulation der genannten Faktoren mit sich. Dadurch, dass Arbeitsbeziehungen zurück in die Untersuchung der Politik von Revolutionen und Politik zurück in die Untersuchung globaler Veränderungen von Arbeitsbeziehungen gebracht wurden, gelang es der Konferenz tatsächlich neue Wege einzuschlagen.

Übersetzung aus dem Englischen: Lukas Neissl

Der englische Originaltext wurde auch auf H-Soz-Kult veröffentlicht.